Wie entstehen EU-Gesetze?
Das Standardverfahren, mit dem die EU ihre legislativen Entscheidungen trifft, also Gesetze erlässt, ist das Mitentscheidungsverfahren. Dabei müssen das direkt gewählte Europäische Parlament und der Rat, der sich je nach behandeltem Themenbereich aus den einzelnen Fachministern der 27 EU-Länder zusammensetzt, die Rechtsvorschriften der EU gemeinsam und gleichberechtigt verabschieden. In seiner generellen Aufwertung des Europäischen Parlaments hat der Vertrag von Lissabon den Anwendungsbereich dieser Art der Gesetzgebung auf zahlreiche neue Themengebiete ausgeweitet, sodass heute etwa 95% aller EU-Gesetze durch dieses Verfahren beschlossen werden.
Das durch diese Ausweitung nun offiziell "Ordentliches Gesetzgebungsverfahren" bezeichnete Prozedere funktioniert im Detail so:
Alles beginnt in der Kommission
Die Europäische Kommission besitzt als eine Art "Regierung der Europäischen Union" das Monopol Gesetzesvorschläge zu erlassen, welche dann von den beiden gesetzgebenden Institutionen - dem Parlament und dem Rat - abgeändert, beschlossen oder auch verworfen werden können. Bevor die Kommission jedoch eine neue Maßnahme vorschlägt, bewertet sie die möglichen wirtschaftlichen, sozialen und umweltbezogenen Folgen der Maßnahme. Dies geschieht durch die Erarbeitung einer Folgenabschätzung, in der die positiven und negativen Auswirkungen möglicher Gesetze aufgeführt werden.
Die Kommission konsultiert auch interessierte Parteien wie Nichtregierungsorganisationen, lokale Behörden und Vertreter der Industrie und der Zivilgesellschaft. Expertengruppen stehen in fachlichen Fragen beratend zur Seite. So stellt die Kommission sicher, dass die Rechtsetzungsvorschläge den Bedürfnissen derjenigen gerecht werden, die am stärksten davon betroffen sind, und dass unnötiger bürokratischer Aufwand vermieden wird.
Bürger, Unternehmen und Organisationen können über die Webseite der öffentlichen Konsultationen am Konsultationsverfahren teilnehmen.
Die nationalen Parlamente können ihre Vorbehalte formell zum Ausdruck bringen, wenn sie der Auffassung sind, dass es besser wäre, sich mit einem von der Kommission vorgeschlagenen Gesetzesakt auf nationaler Ebene statt auf EU-Ebene zu befassen.
Überprüfung und Annahme der Vorschläge durch Parlament und Rat
Das Europäische Parlament und der Rat überprüfen die Rechtsetzungsvorschläge der Kommission und reichen gegebenenfalls Änderungen zum jeweiligen Gesetzesakt ein. Wenn sich der Rat und das Parlament nicht auf die Änderungen einigen können, findet eine zweite Lesung statt.
In der zweiten Lesung können das Parlament und der Rat erneut Änderungen vorschlagen. Wenn sich das Parlament nicht mit dem Rat einigen kann, hat es das Recht, die vorgeschlagenen Rechtsvorschriften abzulehnen.
Wenn sich die zwei Institutionen bezüglich der Änderungen einigen, kann der Vorschlag angenommen werden. Wird keine Einigung erzielt, versucht ein Vermittlungsausschuss eine Lösung zu finden. Im Rahmen dieser dritten und letzten Lesung dürfen sowohl der Rat als auch das Parlament den Vorschlag ablehnen.
Die Sitzungen des Europäischen Parlaments und einige Sitzungen des Rates können Sie live im Internet verfolgen.